
Spotify hat der Musikbranche ein unüberhörbares Signal gesendet: Innerhalb der letzten zwölf Monate wurden über 75 Millionen „spammy“ Uploads vom Dienst entfernt – ein Großteil davon AI-generierte Massenware, Doubletten und missbräuchliche Kurztracks. Gleichzeitig führt der Streaming-Marktführer drei zentrale Schutzmaßnahmen ein: strengere Regeln gegen Stimm-Imitationen (Deepfakes), einen neuen Musik-Spamfilter gegen Massen-Uploads und Betrug sowie branchenweit anschlussfähige AI-Offenlegung in den Credits. Offiziell begründet Spotify die Offensive mit dem Ziel, Kontrolle zurück in die Hände der Urheber zu legen, Tantiemen zu schützen und Vertrauen zwischen Künstlern und Hörern zu stärken.
Was hinter der Zahl steckt
Die schiere Dimension des Aufräumens markiert eine Zäsur: 75 Millionen entfernte Stücke kommen beinahe an die Größenordnung des aktiven Spotify-Katalogs heran. Zugleich betont das Unternehmen, dass das Engagement mit primär prompt-erzeugter Musik gering sei und legitime Künstlerumsätze nicht „in relevantem Maß“ verdränge; 2024 seien 10 Milliarden US-Dollar an Rechteinhaber ausgezahlt worden. Hinzu kommt: Bereits 2023 hat Spotify eine Mindestschwelle von 1.000 Streams pro Track für Auszahlungen eingezogen – eine Hürde, die Kleinstbetrug unattraktiver macht.
Die drei Hebel des neuen Anti-Spam-Pakets
1) Durchsetzung bei Imitation & Missbrauch der Stimme: Unerlaubte AI-Voice-Clones und Deepfakes sind untersagt; erlaubt bleibt nur, was der imitierte Künstler ausdrücklich freigibt. Parallel schärft Spotify Prozesse gegen „Content Mismatch“, also das betrügerische Einspeisen von Uploads auf fremden Künstlerprofilen – inklusive früher Meldemöglichkeiten noch vor Veröffentlichung.
2) Musik-Spamfilter: Ab Herbst startet ein System, das Upload- und Track-Signale wie Massen-Uploads, Meta-Dubletten, SEO-Tricks und die 30-Sekunden-Abspiel-Schwelle ins Visier nimmt, auffällige Akteure markiert und deren Inhalte aus Empfehlungen heraushält. Rollout vorsichtig und signal-basiert, um Fehlalarme zu vermeiden.
3) AI-Transparenz mit Branchenstandard: Gemeinsam mit DDEX unterstützt Spotify neue, fein granulare „AI-Credits“, die z. B. AI-Vocals, Instrumente oder Postproduktion kenntlich machen – ohne Künstler zu benachteiligen, die AI verantwortungsvoll einsetzen. Bereits zahlreiche Distributoren (u. a. DistroKid, CD Baby, Kontor New Media) sind an Bord.
Warum das Timing wichtig ist
Generative Tools haben die Eintrittsbarrieren für Missbrauch rapide gesenkt: Neben KI-Nachahmungen florieren Taktiken wie tausendfache Mini-Uploads knapp über der 30-Sekunden-Grenze oder leicht veränderte Dubletten, die Empfehlungs- und Auszahlungssysteme ausnutzen. Spotify reagiert jetzt mit einem klaren Dreiklang aus Regeln, Filtern und Offenlegung – und adressiert zugleich kursierende Gerüchte, man pushe AI-Titel in Playlists, um Kosten zu sparen, als „kategorisch falsch“. Der Spamfilter wird über die kommenden Wochen und Monate schrittweise hochgefahren.
Was sich für Urheber, Labels & Distributoren ändert
Kurzfristig steigt die Prüf- und Datenqualitätspflicht beim Anliefern: Metadaten müssen sauber sein, AI-Einsatz (wo gegeben) transparent gemeldet werden, und Missbrauchsfälle lassen sich früher adressieren. Mittelfristig dürfte der Filter die ökonomische Basis für Content-Farmen austrocknen und legale Auszahlungen stabilisieren – zum Vorteil derer, die tatsächlich in kreative Qualität investieren. Dass parallel große Rechteinhaber die Maßnahmen begrüßen, signalisiert breite Rückendeckung in der Wertschöpfungskette.
Was Hörer davon haben
Für Nutzer bedeutet der Umbau weniger algorithmisches „Rauschen“, klarere Herkunftsangaben und bessere Chancen, neue Musik von echten Künstlern statt von Bot-Farmen zu entdecken. Zugleich bleibt Raum für legitime, kreative AI-Nutzung – nur eben mit Einverständnis der Betroffenen und der nötigen Transparenz.
Weckruf – nicht das Ende von AI, sondern vom Missbrauch
Spotify setzt ein Zeichen: AI als Werkzeug ist willkommen, AI als Betrugsmaschine nicht. Mit 75 Millionen gelöschten Spaminhalten, harten Imitationsregeln, einem gezielten Spamfilter und standardisierten AI-Credits verschiebt der Marktführer die Spielregeln in Richtung Fairness – zugunsten von Künstlern, die wirklich schaffen, und von Hörern, die wieder mehr Vertrauen in den Stream haben dürfen. Die Musikindustrie dürfte nachziehen, denn Standards wie die DDEX-Credits funktionieren vor allem dann, wenn sie breit angewandt werden.
Quellen
- Spotify Newsroom: „Spotify Strengthens AI Protections“
- The Guardian: 75 Mio. Spam-Tracks & neue Filter
- The Verge: AI-„Slop“, Imitation & Offenlegung
- Music Business Worldwide: Maßnahmen & DDEX-Credits
- MusicRadar: Einordnung & Reaktionen der Majors