
Die Speicherindustrie steht vor einem Wendepunkt: Nachdem DRAM bereits seit Monaten von der KI-Welle erfasst wurde, rückt nun NAND-Flash in den Fokus – mit direkten Auswirkungen auf Konsumenten-SSDs, Speichererweiterungen in Laptops und Workstations sowie auf Komponentenpreise im DIY-Markt. Große Lieferanten signalisieren Preisaufschläge, Distributoren melden ausdünnende Kontingente und erste Hersteller haben formell höhere Listenpreise angekündigt. Berichte aus der Lieferkette sprechen von potenziellen Preissprüngen im zweistelligen Prozentbereich, in Extremfällen sogar bis zu etwa 30 % – getrieben von einer nie dagewesenen Nachfrage aus KI-Rechenzentren, die SSD-Kapazitäten in großem Stil binden.
Die Signale aus der Lieferkette: Offizielle Schritte, stille Stopps, längere Lieferzeiten
Besonders aufschlussreich sind konkrete Maßnahmen einzelner Anbieter: SanDisk (Marke von Western Digital) hat jüngst einen Preisaufschlag von rund 10 % im Channel ausgerufen – ein klares Zeichen, dass der Markt vom jahrelangen Preisverfall in eine neue Phase eintritt. Gleichzeitig legte Micron die Preislisten temporär auf Eis und stoppte für mehrere Tage neue Angebote für DRAM und NAND, um die Preisstrategie angesichts knapper werdender Budgets und Prognosen neu zu kalibrieren. Parallel dazu erhöhte Western Digital die Preise für HDD-Produktlinien und warnte vor Lieferverzögerungen von bis zu zehn Wochen, was die Lagerhaltung von Integratoren und großen Abnehmern zusätzlich erschwert. Diese drei Mosaiksteine – Preiserhöhungen, Angebotsstopp, Lieferverzug – zeigen, wie eng die Lage geworden ist.
Auch auf der Makroebene wurden die Weichen bereits im Sommer gestellt: TrendForce erwartete für das dritte Quartal durchschnittlich 5–10 % höhere NAND-Vertragspreise, angefeuert durch die Anlaufphase von NVIDIAs Blackwell-Plattform und massives Investitionsverhalten nordamerikanischer Cloud-Provider. Während eMMC/UFS-Bausteine für Smartphones moderatere Anstiege sehen dürften, spitzt sich die Situation bei SSD-relevanten Produktlinien zu – dort wo Rechenzentren und High-Performance-Speicher ziehen.
Warum KI den NAND-Markt aus dem Gleichgewicht bringt
KI-Workloads verschieben die Speicherhierarchie: Trainings- und Inferenzcluster setzen in großem Stil auf hochkapazitive, oft QLC-basierte Enterprise-SSDs, die enorme sequentielle Durchsätze und parallele Zugriffe bedienen. Der jüngste Quartalsüberblick von TrendForce weist Enterprise-SSD-Umsätze im zweiten Quartal mit +12,7 % aus – getragen vom Blackwell-Ramp-up und vom fortgesetzten Ausbau klassischer Serverflotten bei Hyperscalern. Zugleich warnt die Analyse, dass durch Controller-Substrat-Engpässe und die parallele Transformation auf neue Produkte eine strukturelle Angebotsknappheit drohen kann. Diese Nachfragekatapulte im Enterprise-Segment wirken wie ein Staubsauger auf den gesamten NAND-Komplex und können den Consumer-Markt – trotz anderer Produktmixes – rasch erfassen.
Der Druck kommt zusätzlich von der „anderen Seite“: Nahezu zeitgleich mehren sich Berichte über HDD-Knappheiten im Nearline-Bereich, die traditionell das kalte Daten-Backbone großer Rechenzentren sind. Wenn Festplatten knapp oder teurer werden, rücken SSD-Alternativen noch stärker ins Zentrum, was NAND weiter verteuert und die Engpassspirale beschleunigt. Erste Medienberichte zeichnen bereits das Bild von gleichzeitigen Engpässen bei HDDs und SSDs, die durch KI-Workloads ausgelöst wurden – mit entsprechendem Preisdruck auf beiden Märkten.
Produktionsdisziplin und Kapazitätsmix: Der lange Schatten früherer Kürzungen
Zum Jahresverlauf 2025 gehört noch ein zweiter, oft unterschätzter Faktor: Viele Hersteller hatten im ersten Halbjahr die NAND-Fertigung um etwa 10–15 % zurückgenommen, um nach dem langen Bärenmarkt die Lager zu bereinigen und Preise zu stabilisieren. Solche Drosselungen wirken zeitverzögert – wenn dann aber die Nachfrage schneller anzieht als erwartet, entsteht ein Vakuum, das die Preise zusätzlich treibt. Genau diese Kombination – Drossel plus KI-Nachfrageschock – ist jetzt sichtbar.
Welche NAND-Generationen und SSD-Typen besonders betroffen sind
Preisbewegungen sind nie uniform. Laut Branchenmeldungen dürften insbesondere Chips unterhalb von 512 Gb Kapazität überproportional anziehen – ein Hinweis darauf, dass bestimmte Die-Größen, Layer-Generationen und Einsatzfelder (z. B. bestimmte Client-SSDs, Boot-Laufwerke, Cache-Module) stärker unter Druck geraten. Parallel zeichnet sich ab, dass QLC-NAND – der Treiber für sehr kapazitätsstarke, aber kosteneffiziente Datacenter-SSDs – bis 2026 in eine echte Angebotslücke rutschen könnte, weil große Cloud-Anbieter verstärkt Enterprise-SSDs (eSSDs) mit QLC-Flash in hohen Stückzahlen qualifizieren. Für Konsumenten heißt das: Höhere Kapazitäten bleiben attraktiv, könnten aber – sobald der Enterprise-Sog stärker auf den Wafer-Pool durchgreift – flotter im Preis steigen als lange gewohnt.
Vom Vertragspreis in den Warenkorb: Wie die Preiserhöhungen bei Endkunden ankommen
Wichtig zu verstehen ist die „Pipeline“: Zuerst steigen die Vertragspreise zwischen Herstellern und großen OEMs/ODM-Partnern. Mit Verzug ziehen die Distributionspreise im Channel an, Händler passen ihre Beschaffung und Lagerhaltung an, und erst danach schlagen Veränderungen auf die Straßenpreise durch – meist in Wellen und nicht synchron über alle Modelle. Schon jetzt deuten mehrere Indikatoren an, dass diese Welle im Consumer-Segment näher rückt: Ein formeller 10 %-Aufschlag im Channel bei SanDisk, temporäre Angebotsstopps bei Micron, anziehende HDD-Preise samt Lieferverzug bei Western Digital sowie die übergeordnete Prognose höherer NAND-Vertragspreise für Q3 sind robuste Vorboten. Dass einige Marktbeobachter sogar bis zu ~30 % Aufschläge für Endkundenprodukte in den Raum stellen, spiegelt die Nervosität einer Lieferkette wider, die erstmals seit Jahren wieder echte Preissetzungsmacht hat – vor allem, wenn Enterprise-Projekte parallel Kapazitäten binden.
Was bedeutet das für PC-Bauer, Kreativschaffende und Gamer?
Wer in den nächsten Wochen oder wenigen Monaten ohnehin einen SSD-Kauf geplant hat, sollte seine Bedarfsliste jetzt schärfen. Typische Sweet-Spots wie 1 TB und 2 TB NVMe-SSDs könnten zuerst in der Breite teurer werden, sobald Händler bestehende Lagerbestände abverkauft und neu zu höheren Konditionen eingekauft haben. Für Workstations mit großem Scratch-Space, KI-lokalen Datasets oder 8K-Videoprojekten gilt: Planen Sie Kapazität mit Reserve; das Nachrüsten „auf den letzten Drücker“ kann in einer Aufwärtsphase teuer werden. Wer vorübergehend auf externe Lösungen ausweicht, sollte prüfen, ob Gehäuse mit USB-4/Thunderbolt-Durchsatz in Verbindung mit bestehenden M.2-Modulen eine Zwischenlösung darstellen – solange die Modulpreise am eigenen Markt noch nicht voll nachgezogen haben.
HDD als Ausweg? Nur bedingt.
Früher war die Empfehlung bei steigenden SSD-Preisen oft: „Nehmen Sie eine günstige HDD für kalte Daten.“ Das bleibt prinzipiell richtig, doch die aktuelle Lage ist speziell: Auch Nearline-HDDs stehen wegen KI-getriebener Kapazitätsschübe unter Druck. Western Digitals Preiserhöhungen und gemeldete Lieferverzögerungen strahlen in den Channel aus. Das kann die Spreizung zwischen SSD und HDD zeitweise verkleinern und die Entscheidung erschweren. Kurz: Wer große Speichermengen plant, sollte die TCO-Rechnung (Kosten pro TB, Performance-Vorteile, Stromaufnahme, Rack-Dichte) neu kalkulieren, statt sich auf historische Preisrelationen zu verlassen.
Zeithorizont und Szenarien: Was kommt nach Q3?
Kurzfristig sprechen viele Faktoren für weiter angespannte Verhältnisse: KI-Cluster rollen weltweit aus, während die Lieferkette noch mit dem Umschwenken auf neue Produkte, Packaging-Engpässe und Controller-Substrat-Themen ringt. Mittelfristig hängt viel davon ab, wie schnell neue Kapazitäten wirklich nutzbar werden und ob Hersteller die im H1 vorgenommenen Produktionskürzungen rasch rückabwickeln. Mehrere Marktbeobachter warnen bereits, dass QLC-Flash in 2026 zum Nadelöhr werden könnte – mit der Folge, dass besonders kapazitätsstarke SSDs länger hochpreisig bleiben. Gleichzeitig ist es möglich, dass eine schwächere Smartphone-Saison und zyklische Pausen im Hyperscaler-Capex einzelne Teilmärkte temporär entlasten; bislang überwiegt jedoch das Preisdruck-Narrativ.
Praxischeck: Einkaufs- und Lagerstrategie in einem Aufwärtszyklus
Für Unternehmen mit planbaren Rollouts lohnt es sich, frühzeitig zu staffeln: Kernkontingente jetzt sichern, optionale Kapazitätsausbauten an definierte Preisschwellen koppeln. Für Kreativteams und Entwickler gilt: Projekte mit klaren Deadlines sollten nicht von der Hoffnung auf „noch einen Preisrutsch“ abhängen – der Zyklus dreht aktuell in die andere Richtung. Privatanwendern raten wir, gezielt auf Modelle mit stabilem Controller-Ökosystem und breiter Marktverfügbarkeit zu setzen; Exoten können in knappen Zeiten unverhältnismäßig teuer oder schlicht schwer lieferbar werden. Und: Achten Sie auf die Garantiepolitik – in volatilen Phasen ist ein verlässlicher RMA-Pfad bares Geld wert.
Fazit: Die KI-Welle erreicht den Consumer-Speicher – und sie bringt Preise mit
Was mit GPUs begann, arbeitet sich durch die gesamte Infrastruktur: Netz, Server, Speicher. Enterprise-SSDs profitieren direkt von KI-Workloads, saugen Kapazitäten ab und stützen strukturell höhere NAND-Preise. Die jüngsten Schritte von SanDisk, Micron und Western Digital zeigen, dass wir nicht über Theorie sprechen, sondern über Maßnahmen, die den Channel und bald auch die Endpreise prägen werden. Wer upgraden will, sollte den Markt zeitnah prüfen – die Kombination aus angehobenen Vertragspreisen, knapperen HDD-Kontingenten und QLC-Engpässen in Sichtweite ist ein Cocktail, der SSDs im Handel spürbar verteuern kann.
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Quellen
- TrendForce: Micron friert Preise ein, Inferenz-KI treibt SSD-Nachfrage
- TrendForce: SanDisks 10 %-Preiserhöhung und Reaktionen im Channel
- Tom’s Hardware: HDD-/SSD-Knappheiten und Preiserhöhungen
- TrendForce: Q3-Prognose, NAND-Vertragspreise +5–10 %
- DIGITIMES Asia: QLC-NAND-Knappheit bis 2026 möglich