
Der Digitalkonzern Amazon plant den Bau kleiner modularer Atomkraftwerke (engl. small modular reactors, SMR), um den wachsenden Energiebedarf seiner Cloud-Dienste (AWS) und KI-Anwendungen zu decken. Der Schritt markiert eine weitreichende Strategie, bei der traditionelle erneuerbare Energien durch zentrale, skalierbare Kernkraftkapazitäten ergänzt werden.
SMR-Projekt in Washington: Details und Zweck
In Washington State kündigte Amazon gemeinsam mit dem Versorgungsnetz Energy Northwest und dem Reaktor-Entwickler X-energy das Projekt „Cascade Advanced Energy Facility“ an. Der Plan sieht im ersten Schritt vier SMR-Module mit einer Gesamtleistung von rund 320 Megawatt (MW) vor, mit der Option auf bis zu zwölf Einheiten und damit bis zu 960 MW Gesamtleistung. Amazon betont, dass SMR-Reaktoren eine kleinere Baufläche benötigen, schneller errichtet werden könnten im Vergleich zu herkömmlichen Großreaktoren und somit näher am Stromnetz („on-grid“) realisierbar seien. Die Stromproduktion soll nicht nur Amazon dienen, sondern auch in das öffentliche Netz eingespeist werden.
Gründe für den Einstieg in die SMR-Technologie
Amazon sieht mehrere treibende Faktoren: Zum einen nimmt der Strombedarf durch Rechenzentren für Cloud-Dienste und insbesondere KI exponentiell zu. Zum anderen verfolgt das Unternehmen das Ziel, seinen gesamten Betrieb bis 2040 klimaneutral zu gestalten („net-zero“) – klassische erneuerbare Energien scheinen dafür nicht mehr allein auszureichen. Ein weiterer Aspekt: Der Vertrag mit Talen Energy sichert Amazon bereits langfristig rund 1.920 MW nuklearer Leistung aus einem bestehenden Kernkraftwerk in Pennsylvania zu. Gleichzeitig prüfen beide Firmen mögliche SMR-Erweiterungen.

Herausforderungen und Risiken
Trotz der spannenden Pläne gibt es bedeutende Unsicherheiten: Die SMR-Technologie befindet sich in vielen Fällen noch im Zulassungs- oder Entwicklungsprozess, insbesondere bei Designs wie dem Xe-100 von X-energy. Zulassungen durch die U.S. Nuclear Regulatory Commission (NRC) stehen noch aus. Außerdem sind die Baukosten, Lieferketten, Genehmigungen und regulatorischen Risiken bei Kernkraft weiterhin hoch.
Zudem ist der Zeitpunkt offen: Amazon gibt an, mit Baubeginn „gegen Ende dieses Jahrzehnts“ zu rechnen, eine Inbetriebnahme ist erst für die 2030er Jahre geplant. Dies bedeutet, dass solche Kapazitäten nicht kurzfristig zur Verfügung stehen.
Auswirkungen auf Markt, Energiepolitik und Umwelt
Der Einstieg von Amazon in SMR-Reaktoren könnte Signalwirkung haben: Tech-Giganten wie Google LLC und Microsoft Corporation verfolgen ähnliche Strategien. Damit könnte der Kernkraft-Sektor neue Dynamik erhalten – insbesondere im Bereich modularer Reaktoren, die schneller und kleiner sind als klassische Meiler.
Auf der energiepolitischen Ebene könnte dies neue Debatten entfachen: Einerseits bieten SMRs Potenzial für kohlenstoffarme Grundlastenergie. Andererseits bleiben Fragen zur Endlagerung, Sicherheit und wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu Solar- und Windkraft offen. Umweltschutzverbände und Atomkraftkritiker werden zunehmend aktiv.
Für Amazon selbst bedeutet die Strategie eine langfristige Absicherung des Energiebedarfs – gerade im KI-Zeitalter, in dem Datenzentren immense Strommengen benötigen. Sollte das Projekt erfolgreich umgesetzt werden, könnte dies auch Wettbewerbsvorteile im Bereich Cloud-Infrastruktur bringen.
Amazon hebt seine Energiepolitik auf eine neue Stufe: Mit dem Einstieg in den Bau modularer Atomkraftwerke adressiert das Unternehmen einen fundamentalen Engpass – die nachhaltige Stromversorgung großer Rechenzentren. Ob die ambitionierten Pläne umgesetzt werden können, hängt von Genehmigungen, Technologie-Reife und Kosten ab. Für die Branche bleibt dies eine Schlüsselinitiative mit möglicher Signalwirkung.
Quellen
- Amazon shares a ‘first look’ at new nuclear facility (16.10.2025) — The Verge
- Amazon provides vision of its new nuclear site (16.10.2025) — Axios