
US-Techkonzerne wie Amazon, Google und Microsoft haben Beschäftigte mit H-1B- und H-4-Status kurzfristig aufgefordert, internationale Reisen zu stoppen und – falls sie sich gerade im Ausland befinden – umgehend in die Vereinigten Staaten zurückzukehren. Auslöser ist eine neue Präsidialproklamation, die mit Wirkung zum 21. September 2025, 00:01 Uhr ET (06:01 Uhr MESZ) die Einreisebestimmungen für H-1B-Beschäftigte verschärft und zusätzlich eine neue, sehr hohe Gebühr für künftige H-1B-Anträge vorsieht. Die ersten Stunden nach Veröffentlichung waren von widersprüchlichen Informationen geprägt; die US-Regierung präzisierte inzwischen: Die 100.000-Dollar-Gebühr betrifft neue Petitionen, nicht bestehende Visa oder Wiedereinreisen aktueller Inhaber. Dennoch bleibt die Lage operativ heikel – und zwingt HR, Legal, Travel und Engineering in den Krisenmodus.
Was konkret passiert ist
Präsident Donald Trump unterzeichnete am 19. September eine Proklamation, die die Einreise bestimmter Nicht-Einwanderer neu regelt. Parallel wurde eine H-1B-Gebühr von 100.000 US-Dollar pro neuer Petition angekündigt, was eine dramatische Verteuerung künftiger H-1B-Anträge bedeutet. Während frühe Berichte die Abgabe als jährlich bezeichneten, stellte das Weiße Haus klar, dass sie einmalig bei neuen Anträgen fällig werden soll und nicht für aktuelle Visa-Inhaber oder Verlängerungen gilt. Effektiv führte die Ankündigung jedoch innerhalb von Stunden zu internen Warnmeldungen bei Big Tech und Finanzhäusern, um Reisebewegungen zu unterbinden und Rückkehrer rechtzeitig vor dem Stichtag einreisen zu lassen.
Wer betroffen ist – und warum Big Tech Alarm schlägt
Internationale Teams in Cloud, Ads, E-Commerce und KI stützen sich in großer Zahl auf H-1B-Talente. Internen Memos von Amazon, Microsoft und Google zufolge wurden H-1B- und teils H-4-Statusinhaber aufgefordert, die USA vor dem Stichtag zu erreichen oder vorerst nicht auszureisen. Der Grund: Bei unklarer oder sich ändernder Rechtslage drohen Einreisestopps, Visa-Neuvalidierungen, zusätzliche Nachweise oder unerwartete Wartezeiten an Konsulaten. Medienberichte zeigen, dass selbst ein später relativiertes Detail (jährlich vs. einmalig) ausreichte, um akute Reiserisiken auszulösen – mit potenziell massiven Projektverzögerungen.
Tech-Policy-Impact: Was die Neuerungen für Produkt-Roadmaps und Recruiting bedeuten
Kurzfristig sind Verzögerungen in globalen Projekten wahrscheinlich, wenn Schlüsselpersonen im Travel-Freeze stecken, Wiedereinreisen riskant werden oder Teams umgeplant werden müssen. Mittel- bis langfristig könnten US-Standorte beim Wettbewerb um internationale KI- und Software-Talente an Attraktivität verlieren, wenn künftige H-1B-Anträge durch hohe Gebühren faktisch zur Ausnahme werden. Unternehmen werden vermehrt Nearshore-Hubs ausbauen, vertragliche Remote-Modelle neu bewerten und sich stärker auf L-1-Transfers sowie Alternativen wie E-2/EB-5 konzentrieren. Deutsche Wirtschaftsmedien berichten bereits über konzernweite Rückholaktionen und Reiseverbote – ein Indiz, dass die Policy-Welle in den HQs angekommen ist.
HR- & Legal-Risiken im Überblick
Unternehmen sollten die folgenden Risikofelder sofort managen: Erstens Einreise- und Statusrisiko bei Mitarbeitenden, die sich im Ausland befinden oder kurz ausreisen wollten; unklare Konsulatspraxis kann zu Stranded-Situationen führen. Zweitens Arbeitsrecht & I-9/Exportkontrolle: Rollenwechsel, Standortänderungen und Verantwortlichkeiten erfordern ggf. sofortige Compliance-Prüfungen. Drittens Steuern & Payroll: Längere Auslandsaufenthalte lösen Lohnsteuer-, Sozialversicherungs- und Betriebsstättenfragen aus. Viertens Diskriminierungsrisiken im Umgang mit Statusgruppen; Entscheidungen müssen konsistent, dokumentiert und rechtskonform sein. Fünftens Kommunikations- und Fürsorgepflichten: Unternehmen sollten proaktiv Sicherheit, Betreuung und Ticketkosten klären, um Haftungsfragen zu minimieren. Frühwarnungen von Kanzleien empfehlen explizit, H-1B-Reisen sofort zu stoppen und Rückreisen zu priorisieren.
To-do für betroffene Teams
0–24 Stunden
- Travel-Freeze für H-1B/H-4: Dienst- und Privatreisen bis auf Widerruf aussetzen; aktive Trips sofort rückabwickeln und Rückflüge priorisieren.
- Intake & Triage: Zentrale Hotline/Slack-Channel, Formular zur Erfassung von Status, Aufenthaltsort, Rückflugoptionen, Pass/Visum-Gültigkeit, I-94-Historie.
- Kommunikation: Klarer All-Hands-Hinweis mit Zeitstempeln (ET/MESZ), FAQ und Kontakt zu externen Kanzleien; Einreisetermin 21.09., 00:01 ET (06:01 MESZ) deutlich nennen.
- Ticketing: Kostenzusagen für Umbuchungen und Notfallrückflüge; Corporate-Travel mit 24/7-Task-Force.
24–72 Stunden
- Rechtliche Prüfung individueller Fälle (inkl. Familien mit H-4): Wiedereinreise, Stempel, Fristen; schriftliche Risiko-Einschätzung je Mitarbeitendem.
- I-9 & Exportkontrollen aktualisieren; Dokumentationslücken schließen; Templates für Manager bereitstellen.
- Workforce-Planung: Kritische Rollen identifizieren, Redundanz herstellen, Code-Ownership umverteilen, On-Call-Pläne anpassen.
7–14 Tage
- Recruiting & Visa-Strategie neu ausrichten: H-1B-Pipeline für 2026 evaluieren, Alternativen (L-1/E-2/EB-5) prüfen, Nearshore-Hubs skalieren.
- Policy-Monitoring und Lobbying: Branchenverbände koordinieren, um Klarstellungen zu Gebühren, Ausnahmen und Konsularpraxis zu erreichen.
- Kommunikationsroutine etablieren: Wöchentliche Updates an Führungskräfte, fortlaufende FAQ-Pflege, Lessons Learned.
FAQ für Mitarbeitende
Gilt die 100.000-Dollar-Gebühr für mein bestehendes H-1B-Visum? Laut aktueller Klarstellung der US-Regierung betrifft sie neue Petitionen und nicht bestehende Visa bzw. Standard-Wiedereinreisen. Beachte jedoch, dass operative Hürden (Konsulate, Grenzpraxis) fortbestehen können – daher die Reisestopps.
Warum fordert mein Arbeitgeber eine sofortige Rückkehr? Um das Risiko zu minimieren, an der Grenze zu scheitern oder in einer Übergangsphase zwischen alten und neuen Regeln zu stranden. Interne Memos mehrerer Konzerne belegen diese Vorsichtsmaßnahmen.
Ich bin bereits unterwegs – was tun? Unverzüglich Kontakt zur internen Task-Force aufnehmen, Rückflugoptionen prüfen und konsularische Beratung einholen; Unternehmen unterstützen aktuell oft finanziell bei kurzfristigen Umbuchungen.
Einordnung: Was als Nächstes kommt
In den kommenden Tagen ist mit weiteren Präzisierungen durch das Weiße Haus, DHS und DOS zu rechnen. Parallel prüfen Unternehmen rechtliche Schritte und passen Recruiting-, Standort- und Mobilitätsstrategien an. Für die US-Technologiebranche steht kurzfristig Planbarkeit im Vordergrund; mittel- und langfristig geht es um die Sicherung der Talentbasis in Schlüsselbereichen wie KI, Cloud-Infrastruktur und Sicherheit. Dass US- und internationale Medien sowie deutsche Wirtschaftsredaktionen binnen Stunden über konzernweite Rückholaktionen berichteten, unterstreicht die Tragweite für Roadmaps, Lieferfähigkeit und die globale Wettbewerbsfähigkeit der US-Tech-Industrie.
Quellen
- Reuters: White House präzisiert H-1B-Gebühr (nur neue Petitionen)
- Whitehouse.gov: Präsidialproklamation zu Einreisebeschränkungen
- Business Insider: Interne Memos von Amazon, Microsoft, Google
- DER SPIEGEL: Rückholaktionen bei Konzernen (de)
- Al Jazeera: Klarstellung zur Gebühr – keine Anwendung auf bestehende Visa