
China treibt den Ausbau seiner Rechenzentrumsinfrastruktur in immer neue Gewässer voran, um den rasant wachsenden Bedarf an Künstlicher Intelligenz zu decken. Ein neues Unterwasser-Rechenzentrum wird sechs Seemeilen vor Shanghai gebaut und soll im September in Betrieb gehen. Dort kühlen natürliche Meeresströmungen die Server, während rund 97 % der benötigten Energie aus Windkraft stammen. Diese Kombination aus Seewasser-Kühlung und Windenergie könnte den Wasser- und Energiebedarf moderner KI-Rechenzentren drastisch verringern.
Unterwasser-Rechenzentren sind Teil einer Strategie, um zwei zentrale Probleme zu lösen: den hohen Wasser- und Stromverbrauch traditioneller Einrichtungen. Die meisten Rechenzentren verbrauchen riesige Mengen Wasser – oft hunderte tausend Liter pro Tag – nur für die Kühlung, und rund 40 % der Elektrizität fließt allein in die Klimatisierung. Laut Scientific American kann das Untertauchen in den Ozean den Wasser- und Energiebedarf moderner KI-Zentren drastisch verringern.
Das neue Unterwasser-Rechenzentrum von Shanghai Hailanyun (HiCloud) nutzt natürliche Meerwasserkühlung und Windenergie, um den Energiebedarf zu senken. Es wird erwartet, dass es so bis zu 30 % weniger Strom verbraucht als vergleichbare landgestützte Rechenzentren.
Details zum Shanghai-Projekt
Der Energieversorger Shanghai Hailanyun (HiCloud) baut das Projekt für rund 223 Millionen US-Dollar. Die erste Ausbaustufe des Unterwasser-Rechenzentrums umfasst 198 Serverschränke, die Platz für 396 bis 792 Hochleistungsserver bieten. Der Bau begann im Juni 2025, der Betrieb soll im September desselben Jahres anlaufen. Nach Angaben von Hailanyun-Sprecher Li Langping liefert die Anlage genug Rechenleistung, um das Training eines großen Sprachmodells wie GPT-3.5 in nur einem Tag zu erledigen. Zum Vergleich: Ein herkömmliches, an Land errichtetes Rechenzentrum würde für dieselbe Aufgabe deutlich länger benötigen.
Ein klarer Vorteil des Unterwasser-Konzepts ist die effiziente Kühlung: Rohrsysteme pumpen kühles Meerwasser durch Radiatoren an den Serverracks, wodurch die Abwärme direkt in den Ozean abgeführt wird. In der sauerstoffarmen Umgebung wird Korrosion reduziert. Microsoft hatte in seinem Natick-Experiment festgestellt, dass unter Wasser weniger Server ausfallen, weil die Container dicht verschlossen sind und mit Stickstoff geflutet werden.
Leistungsdaten und Effizienz
Das Unterwasser-Datenzentrum bei Shanghai wird zu 97 % durch einen angrenzenden Offshore-Windpark mit erneuerbarer Energie versorgt. Nach Angaben von Hailanyun spart die Kombination aus Seewasserkühlung und Windenergie erhebliche Ressourcen ein. Zusammen mit der natürlichen Kühlung sinkt der Gesamtenergiebedarf deutlich, zudem entfällt der massive Frischwasserverbrauch, der an Land oft zu Konflikten mit Landwirtschaft und Gemeinden führt.
- Investitionsvolumen: etwa 223 Millionen US-Dollar
- Serverausbau Phase 1: 198 Racks (396–792 Server)
- Rechenleistung: Äquivalent zum Training eines GPT-3.5-Modells in ca. einem Tag
- Effizienzvorteil: ca. 30 % geringerer Stromverbrauch dank natürlicher Kühlung
- Energiequelle: 97 % erneuerbare Energie (Offshore-Wind)
Internationale Perspektive
In der Vergangenheit experimentierte bereits Microsoft mit Unterwasser-Rechenzentren: Im Projekt Natick versenkte das Unternehmen 2018 einen Container mit 864 Servern (ca. 48 Racks) rund 36 Meter vor der Küste Schottlands. Nach zwei Jahren hob Microsoft das Modul wieder und stellte fest, dass die Technik zuverlässig funktionierte und erhebliche Energiereduzierungen ermöglichte. Seither wurde das Programm jedoch zurückgestellt, und Microsoft konzentriert sich auf andere Nachhaltigkeitsprojekte.
China hofft, mit dem Projekt einen technologischen Vorsprung zu erringen. Hailanyun sieht das Unterwasser-Rechenzentrum als Blaupause für künftige Großanlagen, die mit staatlicher Unterstützung in Serie gehen könnten. Forscher warnen jedoch vor Risiken: Studien zeigen, dass das erwärmte Abwasser den Sauerstoffgehalt in der Umgebung senken und Meereslebewesen schaden könnte, insbesondere bei Hitzewellen. Eine Untersuchung weist ferner nach, dass bestimmte akustische Attacken Unterwasser-Server stören können, was neue Sicherheitsbedenken weckt. Hailanyun entgegnet, dass Tests an einem früheren Pilotprojekt in Südchina nur minimale Temperaturerhöhungen gezeigt hätten und keine nennenswerten ökologischen Schäden auftraten. Trotzdem bleiben Wartung und Reparatur unter Wasser grundsätzlich aufwändiger als an Land.
Asiatische Konkurrenz: Südkorea und Japan
Andere Länder im asiatisch-pazifischen Raum beobachten die Entwicklungen genau. In Südkorea hat das Korea Institute of Ocean Science and Technology (KIOST) 2024 ein Abkommen über die Erforschung eines Unterwasser-Rechenzentrums in Ulsan geschlossen, das bis zu 100.000 GPUs aufnehmen könnte. Zusammen mit Partnern wie GS Engineering & Construction und POSCO werden Technologien für ein „umweltfreundliches“ Tiefsee-Rechenzentrum entwickelt. Erste Testmodule sollen in rund 30 Metern Tiefe vor Sinri Port installiert werden, mit Modulen für Datenbetrieb und Technik-Teams. Auch Unternehmen wie Subsea Cloud melden den Einsatz tausender Server in Unterwassermodulen in Asien.
In Japan arbeitet ein Konsortium unter Führung von Firmen wie NYK Line und NTT Facilities an einem schwimmenden Datenzentrum vor Yokohama. Die 25 x 80 Meter große Plattform, geplant ab Herbst 2025, soll vollständig mit erneuerbarer Energie (Solar, Wind, Batterie) betrieben werden und am Osanbashi-Pier verankert werden. Auch Singapur und andere Regionen prüfen ähnliche Offshore-Konzepte, um dem Datenwachstum mit grüner Infrastruktur zu begegnen.
Ob diese innovativen Unterwasser-Lösungen wirklich über die Versuchsphase hinaus Bestand haben, hängt laut Experten von zahlreichen Faktoren ab: Regulierung, Umweltschutzstandards und die Stabilität der Technik müssen geklärt werden. China agiert jedoch inzwischen als Vorreiter und setzt damit ein Zeichen für eine zukünftige, grüne Infrastruktur der digitalen Welt.
Quellen
- Scientific American – China Is Putting Data Centers in the Ocean to Keep Them Cool
- TechRepublic – China’s Submerged AI Data Center Could “Influence Global Sustainable Computing”
- DataCenterDynamics – South Korea’s KIOST entwickelt Unterwasser-Datenzentrum
- DataCenterDynamics – Japanisches Konsortium plant schwimmendes Datenzentrum bei Yokohama
- Capacity Media – Japan plant offshore schwimmendes Rechenzentrum