
Meta verschärft den politischen Kurs in Sachen Regulierung: Der Facebook-Konzern hat in den USA ein neues Super-PAC namens „American Technology Excellence Project“ aus der Taufe gehoben, das mit „zig Millionen Dollar“ gezielt gegen aus Sicht des Unternehmens überzogene KI- und Tech-Gesetze in US-Bundesstaaten vorgehen soll. Das Vorhaben ist parteiübergreifend aufgestellt und zielt darauf ab, Kandidaten zu unterstützen, die eine innovationsfreundliche Linie vertreten. Angesichts der Blockade im Kongress sind es zunehmend die Bundesstaaten, die die Leitplanken für KI setzen – und genau dort will Meta nun ansetzen. Strategisch ist das nicht nur ein US-Thema: Die Kampagne dürfte auch in europäischen Debatten zum AI Act und dessen Umsetzung nachhallen.
Was hinter dem neuen Super-PAC steckt
Meta begründet den Schritt mit einer „zunehmenden Flickenteppich-Regulierung“ auf Ebene der Bundesstaaten, die Investitionen und heimische Innovationskraft gefährde. Nach Unternehmensangaben wurden allein in diesem Jahr mehr als 1.100 technologie- und KI-bezogene Gesetzesinitiativen in State Houses eingebracht. Das neue Super-PAC wird von dem republikanischen Strategen Brian Baker in Kooperation mit der demokratischen Beratungsfirma Hilltop Public Solutions geführt – ein bewusst überparteiliches Setup, das breitere Wirkung in lokalen und regionalen Rennen entfalten soll. Inhaltlich nennt Meta drei Säulen: Förderung und Verteidigung amerikanischer Technologieführerschaft, klare Pro-KI-Agenda und mehr Einfluss der Eltern bei der digitalen und KI-Nutzung ihrer Kinder.
Die Budgetansage ist unmissverständlich: Meta spricht von Investitionen im Bereich „tens of millions“, also Dutzende Millionen Dollar, die in Wahlkämpfe, politische Werbung und Issue-Advocacy fließen können. Das unterscheidet das Projekt von klassischen Lobby-Aktivitäten, da Super-PACs erhebliche Mittel für Wahlbeeinflussung mobilisieren dürfen, sofern sie unabhängig von den Kampagnen der Kandidaten bleiben. Erste Medienberichte verorten den Schwerpunkt bei Gouverneurs-, Legislativ- und Attorney-General-Rennen, wo technologiepolitische Weichen kurzfristig gestellt werden.
Warum gerade jetzt? Die Staaten füllen das Vakuum
Der Zeitpunkt ist kein Zufall. Ein Vorstoß, den Bundesstaaten für mehrere Jahre die Regulierung von KI weitgehend zu untersagen, ist im Sommer im US-Senat gescheitert. Damit bleibt das Feld für sehr unterschiedliche, teils weitreichende Regelungen offen – von Transparenzpflichten für Trainingsdaten über Deepfake-Kennzeichnung bis zu Risikomanagement für „Frontier-Modelle“. Besonders Kalifornien, Colorado oder Utah treiben eigene Regeln voran; in Kalifornien stehen weitere Verschärfungen ab 2026 an. Für große Anbieter droht damit ein komplexes Compliance-Mosaik, das Meta und andere Akteure nun politisch zu glätten versuchen.
Schon im August hatte Meta ein kalifornienfokussiertes Super-PAC angekündigt, das parteiübergreifend Kandidaten unterstützen soll, die eine wirtschafts- und innovationsfreundliche Tech-Politik vertreten. Das neue nationale Super-PAC skaliert diese Strategie nun auf alle Bundesstaaten. Parallel dazu entstehen weitere finanzstarke Strukturen, etwa ein 100-Millionen-Dollar-Super-PAC aus dem Umfeld von a16z und OpenAI-Präsident Greg Brockman – die politische Aufrüstung der Tech-Branche ist also in vollem Gange.
Auswirkungen auf den Regulierungsfahrplan
Für Gesetzgeber in den Bundesstaaten bedeutet Metas Vorstoß stärkeren Gegenwind bei Entwürfen, die allgemeine KI-Systeme, generative Modelle oder automatisierte Entscheidungen strenger fassen. Viele Initiativen zielen auf mehr Transparenz, Haftungsregeln bei Schadensfällen, Sicherheitsauflagen für Hochrisiko-Modelle oder Kennzeichnungspflichten für KI-Inhalte. Branchenübergreifend ist zu erwarten, dass Super-PAC-finanzierte Kampagnen die Debatte stärker auf Wettbewerbsfähigkeit, Jobs und Standortfragen fokussieren – und damit regulatorische Ambitionen ausbremsen könnten. Zugleich wird der Druck steigen, bundesweite Mindeststandards zu etablieren, um Compliance-Kosten in Grenzen zu halten.
Signalwirkung für Europa: AI-Act unter Beobachtung
Europa schaut genau hin. Der AI Act gilt zwar als weltweit umfassendster Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz, doch seine Detailregelungen und Anwendungsfristen werden derzeit nachgeschärft und priorisiert. Mehrere Stimmen aus Industrie und Verbänden fordern eine „Vollzugspause“ oder zumindest gezielte Vereinfachungen, weil Teile des Rahmens – vor allem rund um General-Purpose-Modelle – noch Interpretationsspielräume lassen. Wenn US-Tech-Konzerne nun politisch und finanziell sichtbar gegen fragmentierte KI-Vorgaben mobilisieren, liefert das Gegnern strikter EU-Vorgaben zusätzliche Munition. Gleichzeitig könnte die US-Entwicklung europäischen Befürwortern ein Argument liefern, an robusten Regeln festzuhalten, um die Marktmacht großer Anbieter einzhegen. Kurz: Metas Super-PAC wird in Brüssel, Berlin und Paris gehört werden.
Einordnung: Machtprobe zwischen Standortlogik und Schutzinteressen
Die Auseinandersetzung verläuft entlang einer vertrauten Achse: Auf der einen Seite stehen Standort- und Wettbewerbsargumente („kein Flickenteppich, schnellere Skalierung, Investitionssicherheit“), auf der anderen Seite Schutzinteressen von Verbrauchern, Arbeitnehmern und demokratischen Prozessen. Super-PAC-Mittel verändern dabei nicht das Ob einer Regulierung, wohl aber das Wie: Kandidaten mit Pro-Innovation-Agenda erhalten mehr Sichtbarkeit und Ressourcen, während regulatorische Großprojekte stärker zu Kompromissen gezwungen werden. Für Unternehmen mit KI-Bezug heißt das, legislative Frühwarnsysteme und Advocacy-Strategien auszubauen – in den USA auf State-Level, in der EU mit Blick auf delegierte Rechtsakte, Leitlinien und künftige Anpassungen des AI Act.
Was jetzt wichtig wird
Für Politik: Wer Regulierung durchsetzen will, braucht belastbare Folgenabschätzungen, präzise Anwendungsbereiche und praktikable Übergangsfristen – sonst werden Super-PAC-Kampagnen Argumentationslücken ausnutzen. Für Unternehmen: Compliance-Roadmaps sollten US-Bundesstaaten und EU parallel abbilden, inklusive Monitoring zu Trainingsdaten-Transparenz, Modell-Risikomanagement und Kennzeichnungspflichten. Für Zivilgesellschaft und Forschung: Evaluationsdaten zu tatsächlichen Risiken und Schäden sind zentral, um jenseits von Schlagworten tragfähige Regeln zu entwickeln. Unterm Strich wird 2025/26 zur Bewährungsprobe, ob demokratische Systeme innovationsfähig regulieren können – oder ob politisches Kapital in Kampagnenkassen die Richtung vorgibt.
Metas Super-PAC markiert eine neue Größenordnung politischer Einflussnahme auf die KI-Regulierung. In den USA werden die Bundesstaaten zum Hauptschauplatz, in Europa erhöht die Aktion den Druck auf eine kluge, umsetzbare und wettbewerbsfähige Umsetzung des AI Act. Wer jetzt die Begriffe „Innovation“ und „Sicherheit“ mit belastbaren Konzepten füllt, prägt die Spielregeln der nächsten KI-Dekade.
Quellen
- Axios: Meta launches super PAC to fight AI regulation
- TechCrunch: Meta launches super PAC to fight AI regulation
- Computerworld: Bipartisan Super-PAC für State-AI-Laws
- Reuters: Meta startet kalifornisches Super-PAC für Pro-KI-Kandidaten
- Reuters: Tech-Verbände drängen EU auf Vollzugspause beim AI Act